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Ein langjähriger Geschäftsführer der Deutschen Parkinson Vereinigung soll über Jahre mehr als 1,8 Millionen Euro veruntreut haben. Das Geld soll insbesondere aus Erbschaften stammen. Auf eine Anfrage reagierte er bislang nicht.
Bei der Deutschen Parkinson Vereinigung (dPV) ging heute endgültig eine Ära zu Ende. Mehr als 30 Jahre lang leitete der Rechtsanwalt Friedrich Wilhelm Mehrhoff eine der größten Patientenorganisationen in Deutschland, rund 14.000 Mitglieder in intestine 300 Regionalgruppen. Im Juni dieses Jahres ging er in Ruhestand. Doch was die Nachfolger vorfanden, überraschte sie.
Seit drei Wochen arbeitet der neue Vorstand der dPV zusammen mit Strafrechtlern und Wirtschaftsanwälten die zurückliegende Ära auf und informierte heute erstmals die Delegierten während einer Tagung in Kassel darüber in nicht-öffentlicher Sitzung.
Nach Informationen von NDR, WDR und SZ erhob die neue Vorsitzende Tina Siedhoff dabei sehr schwere Vorwürfe gegen den früheren Geschäftsführer, der ihrer Meinung nach “mit hoher krimineller Energie in die eigene Tasche gewirtschaftet” habe. Mehrhoff habe “über die Jahre mehr als 1,8 Millionen Euro des Vermögens der Deutschen Parkinson Vereinigung veruntreut”. Geld, das normalerweise für die Forschung an Parkinson-Medikamenten, Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Betroffenen oder psychologische Stärkung der Patienten genutzt werden sollte. Der Ex-Geschäftsführer hat auf eine Anfrage von NDR, WDR und SZ bislang nicht reagiert.
“Untreue in einem besonders schweren Fall”.
Ins Rollen gebracht hatte die interne Untersuchung laut dPV die Entdeckung eines Kontos der Vereinigung, das bisher unbekannt gewesen sein soll. Im Jahr 2007 soll Mehrhoff ein Girokonto bei der Spardabank Neuss gegründet haben, das zwar auf den Namen der Deutschen Parkinson Vereinigung lief, zu dem aber nur er Zugang gehabt haben soll. In der Geschäftsstelle habe niemand etwas gewusst, heißt es.
Der Kölner Rechtsanwalt Lutz Nepomuck hat im Auftrag des Vorstands der dPV die Bankunterlagen geprüft und präsentierte bei der Delegiertenversammlung in Neuss heute seine Ergebnisse. Demnach habe Mehrhoff in den Jahren 2013 bis 2022 insgesamt 540.000 Euro von diesem Konto bar am Bankschalter abgehoben. Die Auszahlungsquittungen sollen der Vereinigung inzwischen vorliegen. Alle Quittungen trügen die Unterschrift von Mehrhoff. Es gebe “keinerlei Anhaltspunkte”, dass Mehrhoff dieses Geld für die Zwecke der dPV verwendet habe, erklärte Anwalt Nepomuck den Delegierten.
Neben diesen Auszahlungen am Bankschalter habe der ehemalige Geschäftsführer zudem mehr als eine Million Euro am Bankautomaten abgehoben. In den meisten Fällen seien es 2000 Euro um kurz vor 7 Uhr morgens in der Sparda-Filiale in Neuss gewesen. Kurz darauf, gegen 7 Uhr, sei Mehrhoff dann in der Regel im Büro erschienen. Nepomuck sprach gegenüber den Delegierten nach Informationen von NDR, WDR und SZ vom Verdacht der “Untreue in einem besonders schweren Fall”.
Schattenkonto mit Geldern aus Erbschaften
Im Juni diesen Jahres ging Mehrhoff in Pension, im August vergangenen Jahres habe er das Schattenkonto bei der Spardabank aufgelöst, sagt der Anwalt. Ein halbes Jahr zuvor, im Februar 2022, soll er von diesem Konto einer langjährigen Mitarbeiterin noch insgesamt 184.300 Euro überwiesen haben. Weshalb diese zusätzlich zum Arbeitslohn diese hohe Summe erhalten habe, sei “nicht ersichtlich”, erklärte Nepomuck gegenüber den Delegierten. Auf Anfrage von NDR, WDR und SZ sagte die ehemalige Mitarbeiterin, sie habe “kein Geld erhalten”, das erwähnte Konto kenne sie auch nicht und man solle sich an Herrn Mehrhoff wenden.
Gefüllt worden sei das Schattenkonto des ehemaligen Geschäftsführers offenbar vor allem mit Geldern aus Erbschaften, die der Parkinson-Vereinigung zuflossen. So habe beispielsweise im Jahr 2017 eine Dame der Vereinigung 298.000 Euro vermacht. Das Geld hätte zur Hälfte an die Regionalgruppe München gehen sollen, zur anderen Hälfte an die Bundesvereinigung. Letztere Hälfte sei dann aber offenbar auf Mehrhoffs Schattenkonto bei der Spardabank verblieben. Gleichwohl habe er den Hinterbliebenen versichert, dass man das Vermächtnis “für Forschungszwecke bereitstellen werde”, wie der mit der Aufklärung befasste Anwalt Nepomuck den Delegierten erläuterte. Ausweislich der Kontoauszüge sei eine solche Verwendung für Forschungszwecke aber “nicht ersichtlich”.
“Nur die Spitze des Eisbergs”
Auffällig sei außerdem, dass in der Geschäftsstelle der Vereinigung eine Liste geführt werde, die die Erbschaften dokumentiere. “Doch jene Erbschaften, die auf das Schattenkonto gezahlt wurden, fehlen in dieser Liste”, wie Nepomuck gegenüber den Delegierten ausführte. Außerdem hätten in der Geschäftsstelle der Patientenorganisation mehrere Ordner mit Dokumenten zu Erbschaften gefehlt, die früher vorhanden gewesen seien.
Die Vorsitzende der Vereinigung, Tina Siedhoff, sagte gegenüber den Delegierten nach Informationen von NDR, WDR und SZ: “Was wir bisher herausgefunden haben, ist mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs”, erst bis Jahresende werde man wohl einen abschließenden Überblick haben. Dennoch bereite die Deutsche Parkinson Vereinigung derzeit eine Strafanzeige gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer vor. Die Staatsanwaltschaft wird den Vorwürfen dann nachgehen müssen. Siedhoff will nach eigenen Angaben alles aufklären: “Nur wenn wir der ganzen Wahrheit ins Auge schauen, können wir Schaden von unserer Organisation abwenden”, appellierte sie an die Delegierten.