Dr. Markus Strauß ist Vorsitzender des Berufsverbandes der Augenärzte im Saarland und des freien Berufsverbandes der saarländischen Fachärzte. Er betreibt in Saarbrücken eine Augenarztpraxis.
Das Winterbergklinikum hat jetzt seine Augenklinik und Augenambulanz geschlossen. Dort wurden professional Jahr rund 5500 Patienten behandelt. Gibt es genug Augenärzte im Saarland, die diese Patienten weiter versorgen können?
STRAUSS Wir haben im Saarland 45 Augenarztpraxen, darunter Medizinische Versorgungszentren mit mehreren Standorten und mehreren Augenärzten professional Niederlassung. Hinzu kommen die beiden großen Augenkliniken im Universitätsklinikum in Homburg und im Knappschaftsklinikum in Sulzbach. Die Politik sagt, das reiche aus. Doch die langen Wartezeiten auf einen Termin beim Augenarzt signalisieren etwas anders.
Wie lang müssen Patienten denn in der Regel auf einen Termin beim Augenarzt warten?
STRAUSS Im Schnitt bereits ein halbes Jahr. Und dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist die unzureichende Honorierung der ärztlichen Leistungen. Es ist gesetzlich vorgegeben, dass für jede Arztpraxis professional Jahr nur ein bestimmter Betrag zur Verfügung steht, der von den Krankenkassen kommt. Ist dieses Finances aufgebraucht, erhält der Arzt für jeden weiteren Patienten, den er behandelt, weniger oder kein Honorar mehr. Gerade die großen Augenarztpraxen im Saarland könnten mehr Patienten versorgen, machen das aber nicht, weil es nicht bezahlt wird. Diese sogenannte Budgetierung schränkt die ärztliche Versorgung ein. Hier müsste die Politik gegensteuern. Wie auch bei anderen Fehlentwicklungen im medizinischen Bereich.
STRAUSS Den seit etwa drei Jahren zunehmenden Mangel an medizinischen Fachangestellten, die früher Arzthelferinnen genannt wurden. Es kommt hinzu, dass nicht wenige aus den Praxen in die Kliniken abwandern, weil dort besser bezahlt werden kann. Und vor allem im Raum Merzig und Saarlouis wechseln Fachangestellte nach Luxemburg, wo deutlich mehr bezahlt wird und zudem die Steuern deutlich niedriger liegen. Dieser Fachkräftemangel führt dazu, dass Augenärzte weniger Sprechzeit anbieten können. Zudem bewerben sich leider auch immer weniger junge Leute in den Praxen. Und bei vielen dieser Bewerber lässt die schulische Qualifikation immer mehr zu wünschen übrig. Viele meiner Kollegen und ich sind uns auch einig, dass die älteren Fachangestellte in der Regel viel motivierter sind.
Hat die Zahl der Patienten in den Augenarztpraxen zugenommen?
STRAUSS Aufgrund des demografischen Wandels erkranken immer mehr Menschen an den Augen. Die Zahl der Behandlungen steigt. Allerdings verzeichnen wir in Deutschland doppelt so viele Facharzttermine wie in Frankreich. In unserem Nachbarland muss ein Hausarzt eine Überweisung zum Facharzt ausstellen. Bei uns kann jeder Affected person direkt beim Facharzt einen Termin vereinbaren. Bei uns haben viele Patienten auch eine Vollkasko-Mentalität entwickelt, die dazu führt, dass sie wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt kommen, weil die Kasse die Behandlung ja bezahlt. Zum Beispiel wenn das Auge juckt, was mit frei erhältlichen Tropfen aus der Apotheke behandelt werden könnte. Andere Patienten wollen sich eine Brille verschreiben lassen, obwohl es dafür in der Regel schon seit Jahren von den Krankenkassen keine Zuschüsse mehr gibt. Eine Brille kann jeder Optiker anpassen.
Wie ließe sich die Zahl der Arztbesuche denn verringern?
STRAUSS Durch eine bessere Patientensteuerung. Ich bin daher für eine Eigenbeteiligung. Wenn Patienten bei jedem Arzttermin einen kleinen Betrag zuschießen müssten, würde die Zahl der unnötigen Arztbesuche wohl deutlich zurückgehen. Ein Drawback ist ja auch, dass viele Patienten ihre vereinbarten Termine nicht wahrnehmen und nicht einmal absagen. Bei rechtzeitig abgesagten Terminen könnten diese neu vergeben werden. Viele Patienten müssten dann nicht so lange auf einen Termin beim Augenarzt warten. Zurzeit nehmen einige Augenärzte wegen der angespannten Scenario keine neuen Patienten mehr auf.
Es ist politisch gewollt, dass immer mehr Operationen an den Augen nicht mehr stationär in einer Klinik, sondern ambulant durchgeführt werden, auch bei niedergelassenen Augenärzten.
STRAUSS Dieser Wandel ist auch im Saarland deutlich zu sehen. Wir haben heute 20 Augenärzte, die in einer Praxis arbeiten und Operationen anbieten. Der Affected person kann sofort nach dem Eingriff wieder nach Hause gehen. Hier zeigen sich die großen medizinischen Fortschritte in den vergangenen Jahren. Vor 30 Jahren musste ein Affected person, der in der Augenklinik Homburg am Grauen Star operiert wurde, noch zehn Tage auf der Station liegen.
Welche sind denn die häufigsten Augenoperationen, die im Saarland ambulant durchgeführt werden?
STRAUSS Das ist der Graue Star. Professional Jahr sind es im Saarland rund 15 000 Operationen. Zu den häufigen Eingriffen zählt auch die Behandlung einer Netzhauterkrankung. Betroffen ist die Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, die Makula. Bei einer sogenannten Makula-Degeneration geht die Sehfähigkeit altersbedingt verloren, bei einem diabetischen Makula-Ödem schwillt als Spätfolge einer Diabetes-Erkrankung die Makula an. In beiden Fällen können hochwirksame Medikamente den Krankheitsverlauf hemmen. Das Medikament wird nach der Betäubung des Auges mit einer dünnen Nadel direkt ins Augeninnere gespritzt. Der Eingriff ist nahezu schmerzfrei.
Der Winterberg hat seine Augenklinik auch geschlossen, weil sie wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben ist. Ab 2024 dürfen aufgrund gesetzlicher Regelungen über 90 Prozent aller augenärztlichen Eingriffe nur noch ambulant durchgeführt werden.
STRAUSS Für ambulante Operationen bezahlen die Kassen weniger als für stationäre Eingriffe, obwohl in beiden Fällen die ärztliche Leistung und die Kosten gleich sind. Es kommt hinzu, dass ambulante Eingriffe aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen drei bis vier Prozent mehr Kosten verursachen als noch vor wenigen Monaten. Doch die Kassen zahlen lediglich zwischen 0,9 und 1,2 Prozent mehr. Dennoch verdienen niedergelassen Augenärzte mit ambulanten Operationen mehr als mit konventioneller Augenheilkunde, wozu Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen gehören. Deshalb sind heute nahezu alle Augenärzte, die sich neu niederlassen, aufs Operieren spezialisiert. Angesichts des demografischen Wandels, der mit einem Anstieg der Augenerkrankungen einhergeht, wird allerdings der Bedarf an Operationen deutlich steigen.