Eigentlich geht Jürgen Krompholz erst in einigen Wochen in Pension.Wir haben mit ihm über die vergangenen 13 Jahre gesprochen – über Herausforderungen, Probleme und Lösungsansätze.
Bebra – Der stellvertretende Leiter des Staatlichen Schulamtes in Bebra ist aufgrund von Resturlaub und Lebensarbeitszeitkonto ab sofort nicht mehr im Dienst. Er führte nach der Pensionierung von Anita Hofmann seit Sommer 2021 für anderthalb Jahre geschäftsführend das Schulamt, bis Rita Schmidt-Schales im März die Leitung übernahm.
Herr Krompholz, niemand wird Lehrer, um dann im Amt zu sitzen statt im Klassenzimmer. Wie hat es Sie ins Staatliche Schulamt nach Bebra verschlagen?
Ich bin 1990 nach Nordhessen gekommen – als erste Neueinstellung der Blumensteinschule in Obersuhl nach rund zehn Jahren. Gerade battle die innerdeutsche Grenze geöffnet worden und die Bildungslandschaft im Umbruch. In drei Kilometern Entfernung in Gerstungen battle ein Gymnasium entstanden, die Werratalschule in Heringen battle jetzt intestine erreichbar. Die Blumensteinschule hatte eine Größe, mit der man eine Integrierte Gesamtschule mit differenziertem Angebot nicht sinnvoll organisieren kann. Ich hatte als junger Lehrer mit vielen Ideen von Anfang an viele Möglichkeiten zur Gestaltung.
Was wurde unternommen?
Wir haben im Staff unter der Führung von Schulleiter Günter Schlosser schnell reagiert. Wir waren sehr früh dran mit dem Aufbau eines Ganztagesangebotes, haben unser Profil in den Bereichen Sport und Musik geschärft. So wuchsen wir von 293 Schülern Anfang der 90er-Jahre bis zur Kapazitätsgrenze von 750 im Jahr 2010. Da wurde additionally viel richtig gemacht. Das hat sich herumgesprochen – und die damalige stellvertretende Schulamtsleiterin Anita Hofmann hat mich dann angesprochen.
Sie beschreiben sich als leidenschaftlichen Lehrer. Schulaufsicht klingt weniger nach Gestalten, oder?
Das denken viele, es ist aber nicht so. Man ist im Schulamt sehr nah dran an den Schulen und man ist gefragt, sobald ein Downside auftritt.
Zum Beispiel?
Wenn Eltern Noten anfechten, setzen wir uns mit den Kritikpunkten auseinander und vermitteln, oft gibt es eine rechtliche Entscheidung. Unsere Behörde hat für mich zwei Kernaufgaben: Das eine ist in der Tat die Aufsicht über die Schulen, aber gleichrangig, wenn nicht sogar wichtiger battle für mich immer die Unterstützung der Schulen. Wir stellen ein, wir beraten und arbeiten an neuen Konzepten mit. Die Besetzung von Leitungsstellen in den Schulen ist auch ein Beispiel, wo wir gestalten. Die Kunst dabei ist, die Stärken der Menschen zu entdecken. Manche sind sehr gute Planer, haben aber vielleicht nicht ihre großen Stärken bei der Entwicklung neuer Konzepte. Das kann trotzdem sehr intestine passen, wenn es vor Ort ein Kollegium mit vielen Ideen gibt.
Trotzdem zurück zum Wort Aufsicht. Was kann man sich darunter vorstellen?
Schulaufsicht hat darauf zu achten, dass Schulen ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen. Das ist gesetzlich definiert, und es ist auch wichtig. Es wird oft diskutiert: Was darf der Staat mir sagen und vorschreiben? Dass additionally zum Beispiel Noten überprüft werden können – das muss sein. Und Eltern haben ein Recht darauf, dass die verpflichtenden Schulstunden auch erteilt werden. Dafür haben wir als Aufsicht Sorge zu tragen.
Stichwort Gewährleistung der Pflicht-Unterrichtsstunden: Gab es da auch mal größere Probleme?
Es gibt sicherlich immer mal Engpässe. Wenn an einer kleinen Grundschule von vier Lehrkräften eine schwanger wird und dann noch jemand krank ist, müssen Förder- oder Ganztagsangebote eingeschränkt oder Klassen zusammengelegt werden. Unsere Aufgabe ist es dann, alles dafür zu tun, dass so ein Zustand möglichst schnell verbessert wird.
Vor anderthalb Jahren gab es mehrere vakante Leitungsstellen in Grundschulen. Wie kommt dieses Downside zustande?
In Grundschulen müssen die Lehrkräfte eine sehr hohe Zahl Pflichtstunden leisten. Gerade an kleineren Standorten ist die Verringerung der Unterrichtsstunden für Pädagogen mit Leitungsaufgaben dann gar nicht so groß. Elternarbeit, Schulorganisation – da kommt dann noch viel dazu, wo ich verstehe, dass die größeren Gestaltungsmöglichkeiten in der Schulleitung das nicht aufwiegen. Untersuchungen zeigen, dass die Besoldung nur ein nachgeordnetes Kriterium ist. In unserem Schulamtsbezirk gibt es außerdem Fortbildungen für Lehrkräfte mit Interesse an Leitung wie das Programm „Match für Führung“ in der Verantwortung unserer Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Hannelore Seubert. Das wirkt langsam.
Sie haben 2021 nach der Pensionierung von Anita Hofmann neben der Stellvertretung auch die geschäftsführende Leitung übernommen – zwei Stellen für eine Particular person. Ist da Gehalt gespart worden?
Diese Interpretation halte ich eher für abwegig. Ich könnte es ja auch so interpretieren, dass das Ministerium mit meiner Leitung ganz zufrieden battle (lacht). Warum die Stelle nicht früher ausgeschrieben wurde, wäre beim Kultusministerium zu erfragen, dem die Besetzung obliegt. Ich kann das nicht beantworten. Natürlich battle diese Zeit für mich enorm fordernd, ich bin aber von einem starken Staff mitgetragen worden. Die Arbeit hat mich dennoch stark beansprucht, das verhehle ich nicht.
In Ihre Leitungszeit fallen große Herausforderungen. Zum Beispiel die Corona-Maßnahmen.
Es gab im Schulamt immer einen Coronabeauftragten, da haben wir uns abgewechselt. Wir haben ganz intestine gelernt, mit den Herausforderungen umzugehen, und haben sie unterm Strich intestine bewältigt. Wir sind dabei die Schnittstelle zwischen dem Kultusministerium in Wiesbaden, das die Vorgaben macht, und den Schulen, die sie umsetzen müssen.
Wie zufrieden waren Sie in der Corona-Zeit mit der Führung in Wiesbaden?
Es gab immer Handreichungen, an denen wir uns orientieren konnten. Natürlich wäre eine frühere Kommunikation manchmal hilfreich gewesen. Aber was geregelt werden musste, wurde geregelt – besser als in vielen anderen Bundesländern. Wir sind zum Beispiel mit Exams und Masken unterstützt worden, da wurde nicht an den falschen Stellen gespart. Ich muss die Schulleitungen und Lehrkräfte da sehr loben, denn die mussten ja vor Ort die Umsetzung gewährleisten. Und beklagen möchte ich mich ohnehin nicht, denn am schwierigsten battle die Scenario für die Schülerinnen und Schüler. Soziale Vereinsamung ist immer noch ein Thema, wo wir viel nacharbeiten müssen. Da kommt es uns sehr zugute, dass besonders nach Corona die Zahl der Schulpsychologen von fünf auf sieben erhöht worden ist.
Die negativen Auswirkungen der Maßnahmen im ersten Lockdown werden der Politik von den meisten verziehen, aber es gab nicht nur einmal große Einschränkungen.
Hinterher ist man immer schlauer – und man würde das keinesfalls noch mal so machen. Da ist großer Schaden entstanden. Auf Probleme muss man reagieren, aber nie wieder mit so drastischen Maßnahmen, hoffe ich.
Ebenfalls in Ihre Leitungszeit fallen der Beginn des Ukraine-Krieges und die Integration der Geflüchteten. Wie klappt das?
Unsere Schulen sind sehr, sehr stark gefordert. Hessens Ansatz ist: Das Erlernen der Sprache ist der Schlüssel, erst dann geht’s in den Regelunterricht. Dafür wurden neue Intensivklassen gebildet und neue Lehrkräfte eingestellt, unser Aufnahme- und Beratungszentrum vermittelt Dolmetscher und neue Lehrmaterialien. Wir sind auf einem guten Weg. Das ist eine Gemeinschaftsleistung, bei der auch das Ehrenamt enorm hilft.
Kurz vorm Ende der Weihnachtsferien Anfang 2022 machte der Fall des mittlerweile unter anderem wegen Kindesmissbrauchs verurteilten früheren Schulleiters Schlagzeilen. Was löst das in Ihnen aus, wenn Sie daran erinnert werden?
Tiefe menschliche Enttäuschung, Abscheu und Schmerz um die Betroffenen.
Was passiert in so einem Fall im Schulamt?
Wir sind zunächst mit Sofortmaßnahmen gefordert, vor allem mit der Betreuung von Kindern und Eltern. Da hat unser schulpsychologisches Staff sehr viel geleistet. Außerdem sind wir auf die Schulen zugegangen, die heute von älteren Kindern besucht werden, die möglicherweise früher Opfer waren. Wichtig ist, dass die Schüler sich jederzeit an die Lehrkräfte wenden können und die Lehrkräfte jederzeit an uns. Außerdem werden Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt entwickelt, ebenso wird die Schulpsychologie verstärkt. Wir beraten, bieten Fortbildungen an und sprechen in den Schulleiterdienstversammlungen über die Thematik, auch wie man sie im Unterricht und bei Elternveranstaltungen aufgreift. Die Probleme hat es schon immer gegeben – jetzt sind alle dafür sensibilisiert und es wird mehr darüber gesprochen.
Direkt daran knüpft das Thema Internetnutzung an und auch, wie die Schüler dabei untereinander miteinander umgehen.
Es gibt Whatsapp-Gruppen unter den Schülern, wo über die Nacht 50 Nachrichten eingehen. Das ist ein enormer Sog, in dem auch manchmal schlimmes Materials verbreitet wird. Teilweise werden Missbrauchsvideos unter Elfjährigen ausgetauscht. Dabei müssen wir auch den Eltern helfen, die oft nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Der notwendige Schritt ist bei schlimmem Materials immer eine Anzeige. Das ist eines der Themen, in denen die Schulaufsicht sehr stark gefordert ist.
Sensibilisiert Schule die Kinder ausreichend für die Gefahren des Internets?
Aus meiner Sicht passiert sehr viel, nun zum Beispiel mit dem neuen Projekt „Digitale Welt“ als Schulfach, das derzeit an vier Schulen im Schulamtsbezirk getestet wird. Klar ist: Es kann immer noch mehr gemacht werden, das Web greift sehr stark in das heutige Leben ein – das muss in allen Unterrichtsfächern berücksichtigt werden. Es gibt Medienbildungskonzepte, in denen die Schulen darlegen müssen, was sie tun, um die Schüler bei dem Thema zu unterstützen.
Es ist bereits viele Jahre her, als ein Tweet einer jungen Frau im Web viral ging: Sie könne in drei Sprachen Gedichtanalysen schreiben, sei aber nicht auf das echte Leben vorbereitet. Tun die Schulen dafür genug?
Berufs- und Studienorientierung sehe ich tatsächlich als eine unserer zentralen Aufgaben für die Zukunft. Damit darf man nicht erst im letzten Schuljahr anfangen. Wichtig ist, dass die Anerkennung von Ausbildungen im Vergleich zum Studium besser wird. Ich denke auch, dass ein verpflichtendes soziales Jahr anstelle des abgeschafften Wehr- beziehungsweise Zivildienstes etwas wäre, wovon sowohl die Gesellschaft als auch die jungen Menschen profitieren würden – als Einblick ins „echte Leben“, wenn Sie so wollen. Ich verspreche mir davon eine höhere Identifikation der jungen Menschen mit unserer Gesellschaft.
Wie sieht Ihr „echtes Leben“ nun nach der Pensionierung aus?
An erster Stelle kommt natürlich die Familie – auf die Zeit mit meinen drei Enkelkindern freue ich mich. Außerdem werde ich meine ehrenamtliche Arbeit weiter ausbauen, um dieser Gesellschaft, die mir meine akademische Ausbildung erst ermöglicht hat – Stichwort kostenfreies Studium, Bafög – auch etwas zurückzugeben. Darüber hinaus interessieren mich das Reisen mit meiner Frau, die Ahnenforschung, Lesen – und ja, mein großer Ausgleich, der Sport.
(Christopher Ziermann)