Die Kurse amerikanischer Staatsanleihen stehen unter Druck. Am Morgen überstieg die Rendite der 30-jährigen Anleihen nach dreitägigem Abverkauf zum ersten Mal seit dem Jahr 2007 die Marke von 5 Prozent. Seitdem ist sie zwar etwas zurückgekommen, nichtsdestoweniger liegen auch in anderen Laufzeiten die Renditen auf Rekordniveau. Anlass ist, dass die Zahlen vom Arbeitsmarkt der USA, die am Dienstag vermeldet wurden, besser ausfielen als erwartet; zudem gab es eine Reihe von Kommentaren aus den Reihen der Notenbank, die Investoren weitere Zinserhöhungen erwarten lassen. Aktuell preisen die Märkte eine Probability von eins zu drei für eine Zinserhöhung im November ein und für Dezember von mehr als 50 Prozent. Weil sich im Zuge dessen auch wieder die Rezessionssorgen mehren, leiden auch die Aktienmärkte und der Ölpreis fällt.
Auch die Haushaltsdefizite und mit ihnen ein höheres Angebot an Staatsanleihen geraten wieder in das Blickfeld der Anleger, nicht zuletzt geschürt vom Haushaltskonflikt im amerikanischen Kongress. Die Geschwindigkeit des Ausverkaufs könnte die Marktstimmung belasten, das mache sie nervös, sagte Alexandra Ivanova, Fondsmanagerin bei Invesco. Die Entwicklung beginne, auch die Besorgnis um andere Anlageklassen steigen zu lassen, heißt es vom Vermögensverwalter Jamieson Coote Bonds. Derzeit gebe es einen Käuferstreik – trotz steigender Renditen wolle niemand einspringen.
Risiko wird nicht entlohnt
Die Analysten der Fondsgesellschaften Metzler raten in einer der F.A.Z. vorab vorliegenden Analyse trotz der höheren Renditen dazu, jetzt noch keine langlaufenden amerikanischen Staatsanleihen zu kaufen. Anleger erhielten derzeit keine Entschädigung in Type einer Risikoprämie. Ende August habe diese nach Schätzung der Notenbank-Filiale Federal Reserve of New York sogar minus 0,5 Prozentpunkte betragen – gegenüber einem historischen Durchschnitt von plus 1,5 Prozentpunkten.
Diese Risikoprämie beziehe sich im Fall amerikanischer Staatsanleihen ausschließlich auf das Inflationsrisiko, schreiben die Analysten. Ein Bonitätsrisiko gebe es für die USA – anders als für den Euroraum – nicht, da diese sich in der eigenen Währung verschuldeten und daher die Notenbank jederzeit Geld drucken könne, indem sie Staatsanleihen aufkaufe. Damit sei für Staatsanleihen der USA ein ungewöhnlich guter Zusammenhang zwischen Inflationstrend und der Risikoprämie für Anleihen zu beobachten. Schon seit dem Jahr 2010 sei diese Risikoprämie aber deutlich niedriger als durch den Inflationstrend angezeigt, zum einen wegen der quantitativen Lockerung und dem Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank, zum anderen hätten auch ausländische Investoren, vor allem Zentralbanken, massiv gekauft.
Den USA stehe aber in den kommenden Jahren ein merklicher Anstieg der Staatsschulden bevor, weil mit dem Eintritt der „Child Boomer“ in die Rente auch die Ausgaben für Social Safety and Medicare bei einer gleichzeitig höheren Zinslast erheblich steigen würden. Vor diesem Hintergrund stellten die Metzler-Analysten schon vor einigen Tagen die Frage, wann sich Nervosität breit machen und der Staatsanleihemarkt eine höhere Risikoprämie einpreisen werde. Die aktuelle Entwicklung könnte womöglich nur ein Vorbote sein.
Metzler geht davon aus, dass die Risikoprämie in den kommenden zwölf Monaten um etwa einen Prozentpunkt steigen könnte, und zwar unabhängig von der Entwicklung der Fundamentaldaten. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen könnte daher bis auf 5,5 Prozent klettern, auch bei einem stabilen Inflationstrend. Gleichzeitig geht man davon aus, dass die Notenbank ihre Bilanz um etwa eine Billion Greenback an Staatsanleihen je Jahr reduzieren wird, derweil sich ausländische Käufer, unter anderem wegen geopolitischer Überlegungen, vom Markt für amerikanische Staatsanleihen zurückzuziehen scheinen.
Insgesamt sinke additionally tendenziell die Nachfrage, während gleichzeitig das Angebot merklich steigen dürfte. Die USA müssten allein im kommenden Jahr rund 4,5 Billionen Greenback an Staatsanleihen refinanzieren und für rund 2 Billionen Greenback neue Staatsanleihen emittieren – das ist immerhin ein Viertel des Gesamtmarkts.