Nach Jahren des Anstiegs sind in Deutschland die Preise für Häuser und Wohnungen gefallen – und es ist die große Frage, wie weit es noch abwärts gehen kann. Als Menetekel steht die Warnung der Deutschen Bundesbank im Raum, dass Wohnimmobilien in Deutschland 2022 im Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent überteuert gewesen seien – und die Preisübertreibungen in den Großstädten sogar bei mehr als 35 Prozent gelegen hätten. Wenn die Preise nun so stark fallen würden, gäbe das vermutlich ein Blutbad.
Als vorsichtiger hatte die Prognose der DZ Bank gegolten, die einen Preisrückgang um bis zu 6 Prozent vorhergesagt hatte. Das ist jetzt aber praktisch schon erreicht.
Fürs zweite Quartal hatte der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) einen Preisrückgang auf Jahressicht für Wohn- und Gewerbeimmobilien um 6,4 Prozent gemeldet, für Wohnimmobilien allein um 5,4 Prozent und für Wohnimmobilien in den sieben größten Städten um 5 Prozent.
Preisstabilisierung währte nur kurz
Jetzt hat die Commerzbank versucht, auf unterschiedlichem Wege Plausibilitätsüberlegungen anzustellen, wie weit das noch abwärts gehen kann. Und andere Immobilienexperten wie Reiner Braun vom Immobilieninstitut Empirica halten diese Überlegungen zumindest nicht für whole abwegig.
Die Häuserpreise seien nach einer kurzen Stabilisierung zum Jahresbeginn nun wieder gesunken, schreiben Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer und Ökonom Ralph Solveen. Als Maßstab wählen die Ökonomen den Häuserpreisindex von Europace. Dieser beziehe sich auf reale Transaktionen und weise oft einen starken Gleichklang zu den Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf, die für die jüngere Entwicklung erst am 22. September veröffentlicht werden.
Die Preise für Wohnimmobilien lagen demnach im Juli im Schnitt 6,5 Prozent tiefer als vor einem Jahr. Dabei seien zuletzt – anders als in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres – nicht nur die Preise für Bestandsimmobilien gefallen, sondern auch die für Neubauten.
Grund für den Preisrückgang seien in erster Linie die spürbar gestiegenen Zinsen. Verglichen mit der Zeit vor der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) hätten sich die Zinsen für Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf rund 4 Prozent verdreifacht: „Damit können Kaufinteressenten Immobilien zu den bis vor kurzem üblichen Preisen häufig nicht mehr finanzieren.“
Als ein Anzeichen dafür, dass die Preiskorrektur noch nicht vorbei sei, werten die Ökonomen die Entwicklung der Baufinanzierungen. „Zuletzt wurden 40 Prozent weniger neue Hypotheken abgeschlossen als vor einem Jahr.“
Da wohl die allermeisten Hauskäufe zumindest teilweise durch Fremdkapital finanziert würden, deute dies auf einen massiven Rückgang der Transaktionen hin. Offensichtlich ließen sich die von den Verkäufern geforderten Preise durch die potentiellen Käufer nicht mehr finanzieren.
Zinsen werden so schnell nicht sinken
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bislang offen gelassen, ob sie im September nach neun Zinserhöhungen in Folge eine Zinspause eingelegt – oder ob sie die Zehn noch voll macht. Nur eine Zinssenkung hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde ausgeschlossen.
„Da die Zinsen auf absehbare Zeit wohl nicht spürbar fallen werden, wird an einer weiteren Korrektur kein Weg vorbeiführen“, schreiben die Commerzbank-Ökonomen. Bei Bestandsimmobilien werde dies wohl noch dadurch verhindert, dass die Verkäufer häufig keine Preisabschläge hinnehmen wollten, weil sie zuvor höhere Preise hätten erzielen können und viele laut einer Bundesbank-Umfrage nach wie vor an steigende Immobilienpreise glaubten.
Verkäufer von Neubauten, insbesondere Immobilienentwickler, könnten häufig keine Preisabschläge hinnehmen, um angesichts der dramatisch gestiegenen Baukosten nicht in die Verlustzone zu geraten. „Bei Bestandsimmobilien dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Bewegung in die Preise komme und sich damit die Zahl der Transaktionen normalisiert“, meint die Commerzbank.
Da bei Neubauten die hohen Baukosten den Spielraum für Preiszugeständnisse stark einengten, erfolge bei ihnen die Korrektur über einen deutlichen Rückgang des künftigen Angebots.
Rechnerisch ergebe sich rein aus dem Zinsanstieg und den daraus entstehenden Belastungen für neue Schuldner ein Korrektur-Potential von 15 bis 25 Prozent, meint die Commerzbank. Auch das Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen und Mieten könne helfen, sich dem zu erwartenden Hauspreisverfall anzunähern.
Die Ökonomen verglichen dazu die aktuellen Werte mit denen von Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre. Mit Blick auf die Preis-Einkommens-Relation wäre etwas mehr als die Hälfte der Preiskorrektur vollzogen, bezogen auf die Mieten ein Drittel. Umgerechnet auf Immobilienpreisänderungen würde dies einen weiteren Rückgang der Häuserpreise um 6 bis 13 Prozent bedeuten.
Ein Teil der Korrektur dieser Relationen dürfte aber nicht durch einen Rückgang der Hauspreise erfolgen, sondern durch steigende Vergleichsgrößen, meint die Commerzbank. So dürften mit der Zeit die Einkommen und Mieten zulegen und die entsprechenden Relationen günstiger aussehen lassen. Fazit der Commerzbank-Ökonomen: „Der Korrekturbedarf für die Häuserpreise dürfte im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich rangieren.“ Das würde heißen: Es geht weiter abwärts – aber nicht dramatisch.